Tage an denen zwei wichtige Ereignisse zusammen fielen. Ein Gedankenspiel über den Ablauf seinerzeit….
von Christian Hinder
Der 23. September des Jahres 9 n. Chr. war der Tag des Geburtstages des Kaisers Augustus und fiel zufällig zeitgleich in die Zeit oder auf den Tag der Tag- und Nachtgleiche, einem bekanntermaßen bedeutenden Tag für kultische Handlungen verschiedenster Völker, auch der germanischen Kultur – ein glücklicher Umstand den Arminius für seine Pläne erfolgreich nutzen sollte (nach meinen Überlegungen).
War der 23. September ein „Feiertag“ für die Römer und für die Germanen?
- Ist die Tag- und Nachtgleiche nicht auch zugleich ein kultischer römischer „Feiertag“ mit zeremoniellem, also göttlich rituellem Hintergrund?
- Ist das Fest der Tag- & Nachtgleiche durch den Glauben an die römischen Götter und den sich daraus ergebenden festen rituellen Handlungen nicht ohnehin im jährlichen Kalender fest bestimmt, hat also wiederkehrend im römischen Kalender seinen jährlich fest bestimmten Platz? So wie Weihnachten für uns Christen jedes Jahr ein festes Datum und seinen traditionellen Platz im kirchlichen Kalender hat?
- Ist die Ergänzung, Kaiser Augustus Geburtstag am 23.September (oder zeitgleich mit der Tag- & Nachtgleiche) zu feiern, mit diesem Hintergrund für die Römer eine zusätzliche Aufwertung des ohnehin hoch zu zelebrierenden „Feiertages“ der Tag- und Nachtgleiche?
- Wird der Geburtstag des Kaisers Augustus am 23.September (um die Tag- & Nachtgleiche) gar als ein Zeichen der göttlichen Vorsehung gewertet? Nach dem Motto: wer an einem solchen Tag Geburtstag hat, der muss unter dem besonderen Schutz und Einfluss der Götter stehen?
Gehen wir die Gedanken konsequent zu Ende, dann hatten die römischen Soldaten an dem oder den Tagen (rund um den 23. September) allen Grund zur Freude und gebührend zu Feiern gehabt. Sie hätten schlichtweg „Dienstfrei“ von ihren Kommandanten von „Staats wegen“ bekommen und auch gehabt. Die Kommandanten der römischen Lager hätten sich angesichts der Überschneidung „göttlicher Feiertag und Kaisers Geburtstag“ spendabel gezeigt und der Wein dürfte reichlich geflossen sein.
Ich gehe sogar soweit zusagen, dass die römischen Soldaten zum Zeitpunkt des Angriffs durch Arminius im Sommerlager des Varus zum Teil gewissermaßen „handlungsunfähig“ aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses gewesen sein dürften…. Leichter konnte man den Germanen unter Arminius Führung eine Aussicht auf einen Erfolg nicht machen.
„noch nie zuvor hat man ein solches Morden und Schlachten gesehen…“
Das man angesichts solch einer Blamage in Rom darauf bedacht war diese Katastrophe/Niederlage möglichst aus den Annalen und dem Gedächtnis zu streichen ist mehr als verständlich.
Cassius Dio ist da natürlich ein willkommener und gern gesehener Geschichtenerzähler mit seiner Mär von den auf dem Marsch überraschten und zerlegten drei Legionen, die sich tapfer durch den germanischen Urwald und die Sümpfe schlagen mussten…. um dort ehrenvoll im Kampf unterzugehen… gegen den unseligen Bündnisbrecher und somit Verräter Arminius mit seinen Horden.
Was auffällig ist, nur Cassius Dio beschreibt ein Gemetzel auf dem Marsch. Alle anderen Berichte (Tacitus, Paterculus, Frontin usw) über den Verlauf der Varus Schlacht weisen auf ein Kampfgeschehen in einem befestigten Römerlager hin.
Nur, selbst wenn man geneigt wäre Cassius Dio glauben zu schenken, so bleibt es doch ein Faktum, dass auch die Germanen mit eben den selben Bedingungen wie „Dauerregen, Sturm umfallende Bäume, rutschiger Boden, Matsch und Sumpf“ zu kämpfen hatten, von denen er so eindrucksvoll berichtet.
In der Tat mutet es eigentümlich an, dass die Profis der Kriegsführung in einem Urwald gegen germanische Wilde untergegangen sein sollen… und dann gleich ganze drei Legionen!
Ferner scheint Dio bei seiner phantasievollen Darstellung der (erfundenen) Ereignisse die Grundregeln der Taktik der römischen Armee gänzlich völlig ausgeblendet zu haben.
Wo sind die Römerstraßen auf denen man sich marschierend und geordnet fortbewegte, wo die Späher die ständig vorne unterwegs waren um die Lage zu erkunden.
Keine drei Legionen -nicht mal eine Kohorte- sind so blöd und laufen brav und wie selbstverständlich blindlinks durch einen germanischen Urwald in ihr verderben, um sich dann der Reihe nach, wie die Lemminge einer nach dem anderen in langen Reihen anzustellen, um sich von minderwertig ausgerüsteten germanischen Kriegern abschlachten zu lassen….
Wir sprechen hier immerhin von der XVII. XVIII. und XIX. Legion, die als die Elite seiner Zeit gelten. Das waren keine Hilfstruppen. Sondern Legionen bestehend aus römischen Bürgern. Auf der Gegenseite standen germanische Bauernkrieger. Der Verlust dieser drei Legionen traf Rom hart und schmerzte sehr.Verehrter Dio – hier wurde m.E. nach gelogen dass sich die Balken biegen, um von der Wahrheit mit Wissen und Wollen abzulenken und den drei Legionen eine Brücke für ein anständiges Gedenken und Ansehen zu bauen. Rom mag das gefallen haben.
Dios Beschreibungen machen nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass die römischen Verbände zum Zeitpunkt des „langen Marsches“ schon ihrer Offiziere beraubt waren und sich kopflos und ohne tatsächliche militärische Führung irgendwie nach irgendwo kämpfend durchschlagen musste.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass uns Cassius Dio an der Nase herum führen möchte und uns wichtige Details, die zu dem weiteren Desaster der Truppe „in den Wäldern und Sümpfen in dem unwirtlichen germanischen Urwäldern“ geführt haben, vorenthält.
Fröhlich verbindet er in sich unterschiedliche Ereignisse und Momente und zimmert daraus eine Legende, seine eigene Geschichte, die er für das Ansehen Roms und zur Ehrerrettung der vielen Gefallenen römischen Soldaten teils erfunden und teils bewusst oder unbewusst verändert oder falsch, auf jeden Fall sinnentfremdend darstellt.
Blendet man Dio mit seinen Widersprüchen aus, erschließt sich aber ein neuer Horizont und Ablauf in der Chronologie der Ereignisse. So, wie es die anderen Quellen versuchen uns zu erzählen (Tacitus, Paterculus, Frontin usw)
Tatsächlich wird die Wirklichkeit völlig anders ausgesehen haben.
Die Kampagne für das laufende Jahr 9 n. Chr. neigte sich dem Ende. Schon sehr bald ging es in die römischen Winterquartiere, mit all seinen Annehmlichkeiten. Als Soldat hatte man die Kampagne des Jahres 9 n. Chr. bisher heil und gesund überstanden.
Jetzt eben noch Kaisers Geburtstag feiern und zeitgleich mit den römischen Priestern die Tag- und Nachtgleiche begehen.
Hier galt es den Göttern dafür zu danken, dass man bis jetzt gesund geblieben war und die Kampagne für das laufende Jahr bisher heil überstanden hatte….
Wenn das kein Grund für ein ausschweifendes Fest sein sollte, das musste doch gebührend begangen werden – und im Anschluss zurück an den Rhein.
Quasi stellten beide Ereignisse (Geburtstag des Kaisers und die religiösen Feierlichkeiten zur Tag-& Nachtgleiche) den Höhepunkt und das Ende der „laufenden Saison“ dar. Im nächsten Frühjahr ging es dann wieder weiter, wieder los.
Eine allzu menschliche, viel zu einfache Betrachtung der Dinge…? ich denke nicht!
Aus den benachbarten, umliegenden oder weiter entfernt liegenden römischen Standorten werden die hohen Offiziere und Würdenträger von Rang, nebst Anhang und Gefolge (Militär und Zivilisten) in das Sommerlager des Varus eingeladen und auf Besuch gekommen sein, um an den großen Feierlichkeiten an dem Ende der diesjährigen Kampagne teilzunehmen.
So etwas ließ man sich nicht entgehen. Kam das Treffen doch einem gesellschaftlichen Groß-Ereignis gleich, einem oder dem Höhepunkt des Jahres, wo man die Gelegenheit nutzen konnte, ja sogar musste, um neue Kontakte zu knüpfen oder alte zu vertiefen. Seien sie der eigenen zukünftigen militärischen Karriere oder der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung (Handel & Schürfrechte) dienlich.
Varus wird diese „Doppel-Feier“ als willkommenen Anlass genommen haben, den Spitzen der umliegenden germanischen Stämme seine Pläne für die nächste Zeit mitzuteilen und zu unterbreiten.
Es hatte Tradition und es war die ideale Gelegenheit, die militärische Stärke Roms zu demonstrieren und er wird den germanischen Stammesvertretern eindringlich ins Gewissen geredet haben, alles zu unterlassen was Rom herausfordern könnte.
Varus hat diese „Jahresabschlussveranstaltung zum Sommerfeldzug“ ganz sicher dazu genutzt, sich als denjenigen zu präsentieren, für den er sich hielt und der er Kraft seines Amtes auch war: der Statthalter Germaniens.
Diese ganz sicher eindrucksvolle Machtdemonstration der vermeintlich überlegenen römischen Kultur gegenüber der „unterlegenen“ germanischen Kultur haben die unzähligen römischen Gäste von Varus nicht nur erwartet, sie war normal – von wem denn sonst, wenn nicht durch Varus hätte Rom seine Ansprüche eindrucksvoll in Szene setzen sollen?
Die Germanen mussten mit Pomp und Getöse beeindruckt werden um sie auf Linie zu halten und damit sie im Winter nicht auf dumme Gedanken kommen…
Zwanzig Jahre standen Roms Legionen nun schon im Land. Man hatte seine Erfahrungen gesammelt im Umgang mit den Germanen.
Abschließend hätte Varus die längst für die germanischen Gäste vorbereiteten Verträge fest gezurrt, sie von den Stammesfürsten unterzeichnen oder erneuern lassen, hätte sich ihrer Loyalität versichern lassen und dann wäre es ab ins Winterlager gegangen. Es hätte alles so schön werden können….
Arminius hatte sie alle „sorglos“ beisammen im Sommerlager des Varus…. Freund und Feind.
Nur mit dem Unterschied, dass der Feind unvorbereitet war auf das, was Arminius nun durchführte.
Arminius hat im Sommerlager des Varus zugeschlagen. Er wusste ganz genau, dass er sie an diesem Tag alle beisammen hatte. Er vernichtete auf einen Schlag die Spitzen, die Elite der römischen drei Legionen. Große Gegenwehr durch die römischen Soldaten im Sommerlager brauchte er nicht wirklich fürchten. Wie oben geschildert waren diese wohl mit anderen Dingen beschäftigt…
Ferner werden nicht alle 20.000 Mann im Sommerlager zugegen gewesen sein, sondern nur ein Teil. Der Rest war übers Land und auf die Standorte verteilt.
Die Truppen waren nach dem Handstreich im Sommerlager des Varus ihrer Handlungsfähigkeit beraubt, denn sie waren ohne ihre Offiziere im wahrsten Sinne des Wortes kopflos und nahezu handlungsunfähig. Wer gab nun die Befehle, wer führte nun im Kampf die römische Truppe…?
Anschließend oder zeitgleich musste nun Lager um Lager, Posten um Posten ausgeschaltet werden…. Ohne militärische Führung auf Seiten der Römer ein erreichbares Ziel.
Es war ein einfacher, aber sehr effektiver Plan. Kühn aber realistisch. Fast schon römisch effektiv.
Durch eine geeignete List die eigenen Verluste so niedrig wie möglich zu halten und dem Gegner die höchst möglichen Verluste zufügen…. diese militärische Strategie ging auf.
Das „trojanische Pferd“ für Arminius waren die Feierlichkeiten, die große „Abschlussfeier“ und die neuen Verträge und Vereinbarungen des Varus.
Die Germanen brauchten nicht einmal ein hölzernes Pferd um ins Lager des Feindes zu gelangen… Sie waren ja schon mittendrin….
Welch eine „Sorglosigkeit“ des Varus – die Paterculus so eindringlich beklagte.
Diesen Plan hatte Arminius von niemandem Geringerem als Caesar selbst übernommen.
Denn er, Cäsar, hatte Jahre zuvor den germanischen Stamm der Sueben unter Ariovist im Jahr 58 v. Chr. dadurch besiegt, dass er den Germanenstamm während dieser sich eine „religiöse Auszeit“ nahm, überfiel und vernichtend schlug.
Cäsar ist für seine glänzenden Strategien und seine skrupellose Vorgehensweise bekannt. Er war nicht gerade zimperlich bei der Wahl der Mittel. Moral oder Ethik waren ihm fremd wenn es um das Durchsetzen seiner eigenen Interessen und Ziele ging.
Im Verständnis des Arminius war es sicherlich nichts anderes, als sich der Moral seines Gegners anzupassen. In der Tat hatte Arminius jahrelang die Taktiken der römischen Legionen und deren Anführer kennen lernen und studieren können. Zuletzt während des pannonischen Feldzuges an dem Arminius den Überlieferungen zur Folge teilnahm.
Warum durften die Germanen ihre Waffen mit ins Lager des Varus nehmen?
Die Würde des freien Kriegers verlangte seinem Range entsprechend danach und Rom hatte sich in den zwanzig Jahren der Besatzung bereits an diese Eigenart der Germanen gewöhnt.
Warum sollte man im Römerlager Verdacht schöpfen, wenn man doch wusste, dass diese Eigenart der Germanen Tradition hatte.
Ferner ist aus den antiken Schriften überliefert, dass Varus sich der Loyalität des Arminius sicher war.
Den Zeitpunkt und das Zeichen zum Angriff werden die Römer den Germanen im eigenen Lager auch noch selbst geliefert haben. Durch ihre Trompeter-Signale, die den Convent, das Treffen und die Feierlichkeiten eröffnen sollten.
Zu Beginn der Auseinandersetzung wird man seitens der Römer die Dinge völlig irritiert zur Kenntnis genommen haben. Wohl eher an eine Rauferei zwischen Legionären und übermütigen Germanen gedacht haben und die Situation somit völlig falsch gewertet oder eingeschätzt haben.
Das konnte sich nun wirklich niemand vorstellen, dass ein Aufstand der Germanen mitten in einem Römerlager – ausgerechnet in dem Sommerlager des Varus, während anberaumter höchster Staatsfeierlichkeiten – seinen Ausgangspunkt nehmen sollte…?
Das überschritt ganz sicher die Vorstellungskraft der überlegenen Römer.
Eh man sich versah und bevor man die Situation richtig überschauen konnte hatten die Germanen die Türme am Haupttor besetzt, das Haupttor geöffnet um weitere Truppen ins Lager zu lassen. Die nachdrängenden germanischen Krieger sorgten für weitere Unruhe. Die Situation eskalierte und geriet für Varus und den anderen vollends außer Kontrolle.
Die Überrumpelung, das Überraschungsmoment und das herrschende Chaos im Lager muss unbeschreiblich gewesen sein. Ebenso das Morden und das Sterben der römischen Legionäre in dem Lager. Hatten sie doch anlässlich der großen Feierlichkeiten dienstfrei erhalten und waren auf alles vorbereitet, aber nicht darauf heute zu sterben.
Irgendwann begann sich der Widerstand innerhalb des Lagers zu formieren. Man versuchte sich zu sammeln und eine Gegenwehr zu organisieren.
Eins wurde den im Lager befindlichen römischen Truppen nun allmählich klar: hier handelt es sich nicht um eine zufällige Rauferei, sondern um einen handfesten Aufstand der Germanen – und das mitten in einem römischen Lager!
Hier bahnte sich eine Katastrophe an.
Ein Römerlager von außen „zu knacken“ war mit den Mitteln die den Germanen bis dato zur Verfügung standen nahezu unmöglich. Ein Römerlager war ein perfekt organisiertes und funktionierendes Verteidigungsbollwerk, an denen sich die Angreifer von außen die Zähne unter großen Verlusten ausbeißen würden.
Bei einem Angriff auf das Lager von außen wäre die Aussicht auf einen Sieg wäre für Arminius ungleich schlechter gewesen. Die Verluste viel zu hoch und unkalkulierbar. Das wusste Arminius genau. Dafür hatte er zu lange die römische Angriffs- und Verteidigungstaktik kennen gelernt, vielmehr ausgiebig studieren können.
So dumm war er nicht, um solch einen eklatanten Fehler zu begehen und seine Chancen auf einen Erfolg gleich gegen null zu fahren….
Warum auch? Denn nun ging sein Plan auf und er befand sich mitten im Sommerlager des Statthalters von Germanien….. und leitete von innen aus die Geschicke und gab seine Befehle.
Wie beschrieben begann sich nun allmählich Stück für Stück seitens der Römer der Widerstand im Sommerlager gegen die germanischen Truppen zu formieren.
Da so ein großes Sommerlager gewaltige Ausmaße hatte, benötigten die germanischen Krieger zudem einige Zeit sich zwischen den Zelten und Gebäuden zu orientieren und voran zu kämpfen.
Es stellten sich nun mehr schlecht als recht vermehrt römische Gruppen kämpfend entgegen.
Dadurch gewann man im Lager Zeit und konnte so etwas wie einen Notfallplan organisieren. So entschloss man sich seitens der römischen Führung dazu, innerhalb des Lagers einen Wall zu bauen, der das Lager innen gegen die anstürmenden Germanen sichern sollte. Wenn alles klappen würde wäre man weiterhin von allen vier Seiten mit Wällen geschützt.
Eine taktisch richtige und sinnvolle Maßnahme um Zeit zu gewinnen, sich neu zu formieren und sich einen genauen Überblick über die tatsächliche Lage zu verschaffen.
Schaut man sich die Beschreibung des Sommerlagers durch Tacitus im Jahre 15 n. Chr. genau an, so wird man sich bestätigt wissen. Tacitus beschreibt wie Germanicus die Stätte der Niederlage des Varus besucht und sie begeht. Tacitus beschreibt das Sommerlager des Varus und schreibt klar, dass es die Ausmaße eines drei Legionen Lagers hatte. Es muss also ein Lager mit gewaltigen Ausmaßen gewesen sein. Germanicus beschreitet also das Lager, die Stätte des Grauens.
Nach vielem Weh und Oh Beklage stolpert der Leser auf einmal über eine Zeile in der es heißt, dass in dem Lager ein zweiter Wall durch die römischen Truppen gebaut worden ist.
Dieser Wall wurde nach allem was man da bei Tacitus so lesen kann offensichtlich nur sehr notdürftig erstellt. In aller Eile und unter großem Druck der anstürmenden Germanen gebaut. Vermutlich wurde auch ohne ordentliches Schanzwerkzeug gearbeitet. Die übliche Höhe eines Lagerwalles wird dieser wohl sicher nicht mehr erreicht haben.
Trotzdem gelang es den römischen Truppen offensichtlich die kommende Nacht hinter diesem Wall verbringen zu können.
Am kommenden Tag wurde der Wall durch die anströmenden Germanen gerissen.
Das geht klar aus den Beschreibungen des Tacitus hervor.
Die Lage verschlechterte sich nun zusehends für den noch lebenden aber bereits verwundeten Varus und die sich im Kampf befindliche römische Truppe.
Da war nichts mehr zu retten – es galt nur noch auf Zeit zu spielen. In der Hoffnung auf ein Wunder. Stück für Stück brach der Widerstand der Römer zusehends zusammen. Erst recht als Arminius begann, die aufgespießten Schädel der Gefallenen Offiziere vor dem inneren Lager-Wall der Römer auf Speere zu stecken und aufzustellen. Was für ein gräusslicher Anblick für die noch kämpfende römische Truppe. Arminius setzte auf die abschreckende Wirkung und auf das lähmende Entsetzen was eine solche Maßnahme bei den Römern psychologisch bewirken und hervorrufen sollte. Tatsächlich streckten hier und da vereinzelte Verbände ihre Waffen nieder, in der Hoffnung auf Schonung.
Angesichts dieser katastrophalen Lage entschloss sich Varus dazu sich selbst zu töten. Er stürzte sich in sein Schwert und verstarb. Anschließend versuchte man den Körper des Varus zu verbrennen und beerdigte den erst halbverkohlten Leichnam ihn in aller Eile.
Diese Tragödie muss sich zeitlich recht weit im Vorfeld der sich abzeichnenden römischen Niederlage abgespielt haben. Denn es braucht schon etwas Zeit die Dinge so zu erledigen wie es beschrieben wurde.
Am Ende ließ Arminius den Leichnam des Varus wieder ausgraben und nahm ihm den Kopf. Diesen sandte Arminius an Marbod – wohl in der Hoffnung Marbod würde sich nun dem Aufstand anschließen. Marbod aber leitete den Kopf weiter an Kaiser Augustus und trat nicht in den Widerstand gegen Rom. Schließlich wurde der Kopf des Varus dem Vernehmen nach ordentlich in seinem Familiengrab in Rom bestattet
Ein Kommentar von Helmut Springer:
Hallo Christian,
zunächst einmal vielen Dank für Deine Überlegungen. In vielem stimme ich mit Dir überein. Zu untersuchen bleibt die Kernthese, daß die Germanen ein Fest oder kollektives Besäufnis der Römer ausgenutzt hätten, um die drei Legionen platt zu machen. Zunächst einmal sind drei Legionen zwanzigtausend Mann und die können soviel saufen, wie sie wollen, sie sind in Germanien unangreifbar. Die Germanen hatten kein stehendes Heer und in spontaner Zusammenrottung hätte man kaum mehr als 1000 Leute auf die Beine bringen können. Sobald die Germanen das Kriegsbeil ausgruben und anfingen, sich zu formieren, blieb das den Römern nicht unbekannt und sie konnten entsprechende Gegenmaßnahmen treffen. Hinzu kommt, daß die Germanen eine e r h e b l i c h e Übermacht haben mußten, um überhaupt mit einem Römerheer scharmützeln zu können. Und daß man heimlich ein Heer von vielleicht 50000 Mann aufstellen und trainieren könnte, ohne daß es die Römer merkten, ist schlichtweg abwegig. Auch im 30 järigen Krieg wußten die Heere stets von einander, man belauerte sich, ging sich aus dem Wege und manchmal war auch eine Schlacht unabwendbar, man ist aber zu keiner Zeit blind im Reich herumgetapst. Trotzdem sind die abendlichen Lager, wo man einen Graben aushebt und Palisaden aufstellt, wie es bei den Römern gewesen sein soll, völlig abwegig. Die Söldner lagerten wo sie gingen und standen, spielten, soffen und vögelten und dann schliefen sie den Rausch des Gerechten. Solange ein feindliches Heer nicht näher als 10 bis 15 km war, war eine Armee völlig unangreifbar, von wem denn auch? Insofern halte ich die vielen Legionslager, die man hier überall finden will, für Fehlinterpretationen. Wenn es sich um römische Hinterlassenschaft handelt, dann um die von Kaufleuten, die Abends ihre Tiere und Wagen in so einer Art Wagenburg zusammentrieben.
Also noch einmal: zwanzigtausend römische Soldaten konnten in Germanien verhungern, erfrieren oder an Seuchen sterben, sie konnten aber niemals von Germanen militärisch besiegt werden.
Abgesehen davon ist auch das Expeditionscorps mit 20000 Mann völlig überdimensioniert. Gegen wen wollten die denn kämpfen? Nehmen wir das Land zwischen Rhein und Weser einmal mit 20000 qkm an und rechnen wir mit 3 Menschen auf den qm (hoch angesetzt), dann wohnten im Feindesland gerade einmal 60000 Menschen einschl. Frauen und Kindern. Gehen wir davon aus, daß jeder 20zigste zum Krieger taugte, so haben wir eine theoretische Höchstzahl von 3000 (Amateur-) Kriegern. Da eine Profiarmee leicht mit 10facher Übermacht (realistischer Wert aus allen Kolonialkriegen) der Amateure fertig wird, hätte es also gereicht, wenn die Römer mit einer intelligenten Strategie und 300 bis 500 Soldaten einmarschiert wären. Die hätten dann auch aus dem Lande leben können und nicht so gewaltige und unlösbare logistische Probleme ausgelöst. Das wäre übrigens auch bezahlbar gewesen.
Zum Vergleich: an dem weltberühmten Kriegszug gegen die vereinigten Stämme der Indianer nahmen im Jahre 1876 gerade einmal 2000 Soldaten teil. Sie teilten sich in verschiedene Heeresgruppen auf und als General Custer schließlich am Little Big Horn das Lager der Indianer angriff, hatte er genau 215 Leute bei sich, die Zahl der Indianerkrieger wird auf 1500 bis 4000 geschätzt. Trotzdem hätte er aller Erfahrung nach gewinnen müssen.
Lettow-Vorbeck hielt mit 250 deutschen Soldaten ganz Deutsch-Ostafrika und wehrte sogar noch den Angriff der englischen Invasionsarmee ab.
Also: auch kleine Armeen mit wenigen Leuten können Schlachten schlagen, die in die Weltgeschichte eingehen. Und frage einmal herum, wieviel Amerikaner wohl am Little Big Horn gefallen sein könnten. Otto Normalverbraucher wird Zahlen zwischen 5000 bis 20000 nennen.
Also, wir müssen bedeutend kleinere Brötchen backen. Rechnen wir also das Expeditionscorps mit 500 Römern, die sich auf mehrere Abteilungen aufteilen (Ein Heer zusammenzuhalten macht keinen Sinn, solange eine formierte feindliche Armee nicht in der Nähe ist. Strategisch ist es nur sinnvoll den Raum zu besetzen, nicht einen einzigen Punkt.) Ein solches Szenarium macht es natürlich möglich, daß eine Teilstreitmacht von vielleicht 100 Leuten die Vorsicht gegenüber den Germanen verliert, Feste feiert, die Germanen vielleicht sogar noch dazu einlädt und dann niedergemacht wird. Der Kommandant muß natürlich ein vollkommener Depp sein, sonst geht es nicht. Unter diesen Voraussetzungen halte ich Deine Kernthese für denkbar.
In der Geschichte ist mir kein Fall bekannt, daß eine Armee eine andere feindliche Armee mit vollen Waffen einlädt um gemeinsam zu feiern. Selbst der forsche Custer wäre nie auf die Idee gekommen, Sitting Bull mit 4000 hochgerüsten Kriegern zum Garnisonsfest nach Fort Laremie einzuladen. Auch wenn der Kreis Höxter zu offiziellen Anlässen die Bundeswehr einlädt, so erscheint in aller Regel nur der unbewaffnete Kommandant mit einem ebenfalls unbewaffneten Fahrer. Kämen stattdessen 1000 vollbewaffnete Bundeswehrsoldaten würde der Landrat doch etwas schief gucken.