von Christian Hinder
(Teil 2, siehe hier für Teil 1)
Die Ereignisse im Sommerlager des Varus werden sich in Windeseile, wie ein Lauffeuer unter den Römern und Germanen weit über die Grenzen der Region hinaus herum gesprochen haben. Für die vielen römischen Lagerbesatzungen zwischen Teuto und Weser (auf diese Region setze ich hier mein Augenmerk) hatten die Ereignisse im Sommerlager weit reichende Folgen und verheerende
Konsequenzen.
Diese Lagerbesatzungen gehörten zu den Truppenteilen der drei Legionen, der XVII. XVIII. und XIX. Legion und zählten somit zu den Legionen die untergehen sollten. Die Außenposten und umliegenden Lager umfassten meines Erachten nach den weitaus größeren Teil der 20.000 Mann. Ich schätze die Zahl der Besatzungen der Außenposten und Lager insgesamt auf über 13.000 Mann.
Wie heißt es doch im Gedicht des Manilus:
Im Gedicht des Manilus (ca 12 n. Chr.) steht bezüglich Arminius (Zeile 2; „Täuschung“):
„Singende Feuer verkünden auch Kriege und plötzlichen Aufruhr,
und sie verkünden Waffenerhebung bei heimlicher Täuschung,
wie alsbald unter Bruch des Vertrags durch entlegenste Völker,
als das wilde Germanien den Feldherrn Varus hinwegriss
und mit dreier Legionen Blut die Felder durchtränkte,
brannten in aller Welt verstreut die drohenden Lichter,
und sogar die Natur erhob den Krieg durch die Feuer,
warf ihre Kräfte entgegen und kündete drohend das Ende.“
Viele römische Einheiten befanden sich noch in ihren Standorten, die in der Region zwischen dem heutigen Teutobuger Wald und der Weser verteilt lagen, als der Aufstand, der sich zu einer Volkserhebung entwickelte, begann. Auf das, was da nun auf sie zukommen sollte, waren auch sie am Ende der Kampagne des Jahres 9 n. Chr. nicht vorbereitet.
Der Tod des Varus wird ein Entsetzen und eine Bestürzung unter den im Land verteilten römischen Standorten hervorgerufen haben, die wir uns heute wohl kaum vorstellen können. Erinnern wir uns. Durch den kühnen Handstreich des Arminius im Sommerlager des Varus war die römische Armee ihrer Offiziere und Anführer auf einen Schlag beraubt und derart geschwächt, dass sich in den einzelnen Standorten eine geregelte oder koordinierte Gegenaktion nur sehr schwierig organisieren lies.
Wer war in den Standorten noch in der Lage geeignete Gegenmaßnahmen erfolgreich planen und durchführen zu können, wer sollte die Truppe führen – die Armee war im wahrsten Sinne des Wortes bereits ihrer Köpfe beraubt. Die Truppen mussten sich nun weites gehend selbst organisieren. Dementsprechend dürfte es auch zugegangen sein. Wer konnte brachte sich vor den aufständischen Germanen in Sicherheit. Hals über Kopf werden die Truppen versucht haben zum nächst sicheren Standort Richtung Lippe oder Rhein zu fliehen.
Welcher Standort sicher schien und welcher nicht, das konnte niemand wirklich wissen. Es herrschte Unsicherheit und die nackte Angst. Man wollte sich durchschlagen egal wie – nur um seine nackte Haut zu retten. Wenn die Außenposten noch nicht zeitgleich mit der Aktion im Sommerlager durch die aufständischen Germanen gerissen wurden, so versuchte man seitens der Römer zunächst bestimmt den zügigen Rückzug auf sicheren Wegen anzutreten – so koordiniert wie es angesichts der Umstände möglich war.
Somit befanden sich zig tausende an römischen Soldaten unkoordiniert auf dem Rückzug. Schnell merkten sie dass die Pässe auf den umliegenden Höhenzügen durch die Germanen besetzt waren. Sie bauten einfache Sperren oder Wälle und hinderten die Truppen am Durchgang. Ein Durchbruch Richtung Rhein war unter solchen Umständen schwierig, hohe Verluste die Folge und nahezu unmöglich.
Hier und da, wo stärkere Verbände unterwegs waren mag Ihnen der Durchbruch in Teilen vielleicht sogar geglückt sein. Viele werden versucht haben auszuweichen, die besetzten Pässe zu umgehen, weiter entfernt liegende scheinbar sichere Übergänge zu nehmen. Von zurückströmenden oder versprengten römischen Einheiten werden sie von ihrer aussichtslosen Lage und den hohen Verlusten erfahren haben. Sicher auch von der Flucht der römischen Reiterei und ihrem vollständigen Untergang. Eine schier aussichtslose Situation. Kein Weg war mehr sicher. Das Ende vorbestimmt.
Teile ließen sich kampflos gefangen nehmen andere gingen im Kampf unter. Am Ende waren alle römischen Außenposten und Lager zwischen Teuto und Weser für Rom verloren. Die Niederlage war vollständig und hatte nachhaltig weit reichende Auswirkungen auf die Germanienpolitik Roms.
Hinweise darauf wo und wie die aufständischen Stämme den Rückzug der versprengten römischen Einheiten in unserer Region erschwert haben könnten, versuche ich an folgendem Text des Fachteams Touristik der Stadt Lage zu erklären.
Die Wegesperren in Stapelage
Die Wegesperren in Stapelage wurden am 12.11 1990 und 18.02.1991 rechtskräftig als Bodendenkmal eingetragen. In der Begründung vom 12.11.1990 heißt es:
„63 m langer Abschnitt eines 7 m breiten, 1 m hohen Erdwalles mit beidseitigem, 3 m breiten und bis zu 0,80 m tiefen Graben. Rest des sog. ‚Schling uper Rettlage’ (erw. 1502), mit dem der Weg um die Dörenschlucht im Mittelalter und in der Frühneuzeit kontrolliert wurde.“ In der Begründung vom 18.02.1991 heißt es: „100 m langer Abschnitt eines unten 5 m breiten doppelten, bergaufwärts nur 2,50 breiten, einfachen Walles von 1 m – 0,40 m Höhe mit beidseitigem 2 m breitem Graben. Rest einer Wegsperre, mit der der Weg in die Stapelager Schlucht im Mittelalter und in der Frühneuzeit kontrolliert wurde.“
Aus beiden Begründungen ergibt sich, dass eine zeitliche Einordnung der Wegesperren ins Mittelalter und in die Frühneuzeit vorgenommen wurde.Wissenschaftliche Grabungen zu den meisten vorhandenen Wegsperren erfolgten bisher nicht. Offen bleibt deshalb die Frage, ob nicht schon zu früheren Zeiten dort Wallanlagen errichtet worden sind und gegen wen diese Sperranlagen dann gerichtet waren. Eine mögliche Erklärung dieser Frage gibt Th. v. Stamford in seinem Buch „Das Schlachtfeld im Teutoburger Walde“ aus dem Jahre 1892, S. 134:
„Mit militairischem Auge aufmerksam betrachtet, erschienen sie (die Wegsperren Ann. d. Verf.) nicht angelegt, um einen äußeren Feind nicht hereinzulassen, sondern um einen Feind im Innern nicht herauszulassen! Dadurch waren sie sofort in ganz anderem Grade auffällig… Die Werke hatten also einem ganz ausnahmsweisen Falle gegolten, ein solcher ist aber in der Geschichte nur einmal vorgekommen, und das ist eben die Vernichtung der Varuslegionen im Cheruskerlande.“ Hinsichtlich der Beschaffenheit der Wallanlagen führt Stamford aus: „Die geringere Stärke*) der Werke und die doch erkennbare Grundform bei aller Verschiedenheit stempeln anderseits die Anlagen wieder als zu vorübergehendem Zwecke und gleichzeitig, also nur für den ganz besonderen Fall der Varuskatastrophe angelegt“. … *) „Im Durchschnitt hatten die Wälle wohl von der Grabensohle bis zur Wallkrone 10 Fuss Höhe. Das Erdreich trug bei der knappen Zeit zur Stärke wesentlich bei, wie auch zur späteren Erhaltung. Die Wälle sind fast durchgängig von beiden Seiten aufgeworfen, wurden schwerlich dann noch zugerichtet, und scheint nicht sehr viel Zeit darauf verwendet zu sein. Sie konnten von entsprechenden Kräften an einem Tage beendet werden“ (S. 148).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Wegsperren nach Norden zeigen. „Denn wie dem Römerheer der Durchbruch nach Süden durch jene Anlagen verwehrt werden sollte, durfte es auch nach Norden nicht wieder frei kommen. Ganz dementsprechende Anlagen fanden wir in der Nordkette des Schlachtfeldes“ (S. 135). Hier einige Beispiele:
- Übergang Hillegossen-Holtemp (S. 138):
„Hier liegen die Gräben gegen den Weg von Norden“
- Nebenpass westlich von Wrachtrup;
“An der zweckmässigsten Stelle, etwa 30 Schritte unterhalb des Scheitels liegt am Nordabfall, also ohne Frage gegen Norden gerichtet, quer am Passe (und auch jenseits der Schlucht) ein Wall, der einst völlig absperrte“ (S. 141);
- Sperren am Heinrichsberg (S. 139)
„Nun sind aber weiterhin die Sperren westlich des Heinrichsberges ausgesprochen gegen Norden gerichtet – gegen einen Feind von Norden gemeint.“
- Welsche Egge Oerlinghausen (S. 137):
„Die meisten der Werke waren einfache Wegesperren, quer aufgeworfene Wälle, auf deren Aeusseres keine grosse Sorgfalt verwendet worden ist. … Da liegt im Ausgangsthor der Welschen Egge zur Senne eine Sperre. Die Enden liefen ein Stück am Menkhauser und Barkhäuser Berge hinauf. Die Sperre ist aber nicht gegen die Senne, sondern gegen die Welsche Egge gerichtet, das erkennt man ganz deutlich auf dem noch vorhandenen Theil am Menkhauser Berge. Ausser diesem Thor ist noch ein Uebergang zwischen Barkhäuser und Ravensberg, ein ziemlich hoher und steiler Sattel mit scharfem Grat. Das ist schon ein guter Vertheidigungspunkt, dennoch scheint etwa 5 Schritte tiefer ein Wall gelegen zu haben, da rechts und links im Waldsaum gegen Norden Spuren eines solchen erkennbar waren, dazwischen aber Blösse liegt.“
- Stapelager Wegesperren (S. 174/175):
„An der engsten Stelle des Eingangs liegt die erste Sperre. Sie reicht ziemlich hoch am Kalenberg hinan, weniger am kleinen Stapelager Berg. Sie ist stärker, als die vorigen Wälle, wird aber von der Schlucht durchschnitten. Etwa 50 Schritt hinter der Sperre zwischen den Armen der Schlucht liegt auf einem kleinen Hügel eine Schanze (Ringschanze, jetzt fast verwischt). Sie diente vermuthlich zugleich als Wacht- und Signalposten. Diese Anlagen sind zweifellos gegen Norden gerichtet. Weniger wird dies bei der zweiten Sperre in die Augen springen, welche den Ausgang zur Senne zwischen Ravens- und gr. Stapelager Berge abschliesst [s. Abbildung Hölzermann Riesenberg heute gr. Stapelager Berge}. Beide sind durch tiefe Schluchten getrennt, welche sich unter einem früher erweiterten Hügel vereinigen, der ebenfalls eine Schanze trägt. Dieselbe ist aber weit grösser und viereckig, drei Seiten des Walles sind noch zu erkennen, im Uebrigen wie an der ersten Sperre durch Anforstung und auf einem tiefen Sandboden das Meiste verstümmelt. Sowohl am Ravensberg als dem Stapelager führt der Weg zur Senne. Beide wurden deshalb auch gesperrt und schliessen diese Wälle an die betreffende Schlucht an. sowie die Schanze das Kernwerk bildet. An Ort und Stelle sieht man deutlich, dass auch diese Anlage gegen einen Feind von Norden gerichtet und sehr stark war.“
Laut Hölzermann besteht die Befestigung auf dem Tönsberg aus einem älteren germanischen und einem später hinein gegrabenen sächsischen Teil. Hölzermann erwähnt außerdem zwei Hochwarten. Die eine liegt auf der Kuppe des Calenberges bei Wellentrup – jetzt Münterburg genannt. Derartige Außenwerke führen zu der Annahme, dass zumindest ein Teil der Wegesperren aus germanischer Zeit stammt.
Inhalt: W. Lippek/W. Thevis
Quellen: Thomas v. Stamford, „Das Schlachtfeld im Teutoburger Walde“, Cassel 1892
Ludwig Hölzermann, „Lokaluntersuchungen, die Kriege der Römer und Franken, sowie die Befestigungsmanieren der Germanen, Sachsen und des späteren Mittelalters betreffend“, hg. Vom Verein für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens, Abteilung Paderborn, Paderborn 1878
Herausgeber: Stadt Lage, Fachteam Tourismus, Freibadstr. 332791 Lage, Tel.: 05232 – 8193 Im Mai 2006